Erhaltungsnetzwerk

Markerbse "Blauschalige" © Helmut Hohengartner

Für ein aktives ErhalterInnen-Netzwerk

Helmut Hohengartner

Eiszeit im Samenarchiv

Während sich engagierte Naturschützer bemühten, Wale, Pandas und Gorillas vor dem Aussterben zu retten, ist die rote Liste der gefährdeten Arten in beängstigendem Tempo länger und länger geworden. Die Welt hat übersehen, dass der Verlust an Lebensraum maßgeblich für das Verschwinden einzelner Arten ist. 
Bei der Erhaltung der Sortenvielfalt ist es nicht anders. Während sich Arche Noah darauf konzentriert, kleine Restmengen im Samenarchiv zu verwahren und zu erhalten, geht draußen auf den Feldern und in den Gärten das schleichende Verschwinden der Sortenvielfalt rasant voran. Das jüngst beim ErhalterInnentreffen präsentierte Konzept der Arche Noah wird daran nicht viel ändern. 
Dieses Konzept sieht vor, vom rund 5.500 Sorten umfassenden Schatz des Archivs nur mehr etwa 1.000 „interessante“ Sorten regelmäßig in größeren Mengen zu vermehren und zum Verkauf anzubieten. 
Der große Rest des Samenarchivs soll im Tiefkühllager verwahrt und nur mehr alle heiligen Zeiten in kleinen Mengen zur Erhaltung der Keimfähigkeit erneuert werden. Damit verschwinden diese Sorten aus den Angebotslisten der Arche Noah, sind für ErhalterInnen praktisch nicht mehr verfügbar und dem Vergessen und Verschwinden preisgegeben.

Erhaltung braucht ErhalterInnen

ErhalterInnen im Sinne des neuen Konzeptes sollen eine überschaubare Schar ausgewählter Menschen sein, die im Auftrag des Samenarchivs zentral vorgegebene Vermehrungsarbeit  erledigen. 
Das Archiv der Arche Noah ist zwar unverzichtbar wichtig. Doch mindestens gleich wichtig ist ein aktives Netzwerk an engagierten Menschen, die auf ihren Feldern und in ihren Gärten eigenständig Erhaltungsarbeit leisten. Nur die Vielfalt an unabhängigen ErhalterInnen kann für das Fortbestehen der Vielfalt sorgen. Das war bisher die große Stärke der Arche Noah – und das muss sie weiterhin bleiben.
• Jede ErhalterIn hat ihre Lieblingssorten und damit eine emotionale Verbundenheit zu ihr, die stärker ist als die gleichmachenden Erfordernisse des Marktes. 
• Eine Erhaltung in situ (am Betriebsstandort / im Hausgarten) sorgt für eine permanente Anpassung an die aktuellen Lebens- und Umweltbedingungen. Sorten entwickeln sich dadurch weiter.
• ErhalterInnen tauschen über den Gartenzaun hinweg und sorgen damit für eine lokale Verbreitung regional angepasster Vielfalt.
• Mindestens gleich wichtig wie die Erhaltung der Sorten ist die Erhaltung und Verbreitung des Wissens, Könnens, der Beobachtungsgabe und des Feingefühls der ErhalterInnen im Umgang mit den Sorten. Sie können mit ihren Schützlingen nicht nur gut umgehen, sie wissen auch um deren Vorzüge und die Verwendung in der Küche.
• ErhalterInnen sind Menschen, in denen ein intuitives Verständnis für die Natur herangewachsen ist. Damit können sie – in kleinen Schritten – die Welt verändern. 

Daher setze ich mich mit vollster Überzeugung dafür ein, dass es immer mehr ErhalterInnen werden. Bis wir unübersehbar und unüberhörbar sind.


Aus dem abgesagten Zukunftsforum 2019

Einen sehr erhellenden Beitrag aus der Sicht aktiver ErhalterInnen verfassten Barbara Hable und Annette Hofmann unter Mitarbeit von Gerda Schmid in der Arbeitsgruppe "Erhaltung" im Rahmen des Leitbildprozesses 2019. Der Originaltext ist zum Download hinterlegt.
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Pflanzengesundheit:


Der Pflanzenpass ist kein Zertifikat für gesundes Pflanzenmaterial


Immer wieder höre ich das Argument, unser Engagement für eine Befreiung der Erhaltungsarbeit von der Pflanzenpasspflicht würde der Verbreitung von Pflanzenkrankheiten Vorschub leisten. Diesen unsinnigen Populismus möchte ich hier entschieden widersprechen.

Beginnen wir beim Pflanzenpass selbst. Er ist kein Zertifikat für gesundes Pflanzenmaterial. Er ist lediglich eine Kennzeichnung, die es ermöglicht, den Ursprung des Materials nachvollziehen zu können. Unternehmer*innen (Vertreiber*innen, Produzent*innen) werden von der Behörde ermächtigt, ihre Produkte mit einer Nummer zu versehen, sodass sie identifizierbar sind. Diese Unternehmen handeln in Eigenverantwortung. Sie werden nur stichprobenartig, meist einmal jährlich kontrolliert. Waren mit einem Pflanzenpass sind also nicht zwangsläufig kontrolliert und auch nicht garantiert krankheitsfrei. Beim Bezug von Sämereien und Pflanzen von Erhalter*innen, wie wir sie kennen, dürfte die Nachvollziehbarkeit der Herkunft auch ohne Pflanzenpass kein unüberwindbares Problem darstellen – genauso wenig wie befürchtet werden muss, dass die Abnehmer*innen mit den erhaltenen Samen und Pflanzen Handel in großem Stil betreiben werden.

Es gibt in der EU eine Liste von Quarantäneschädlingen und eine weitere Liste von nichtquarantänepflichtigen gefährlichen Krankheiten und Schädlingen. Darin sind aber bei Gott nicht alle Krankheiten und Schädlinge enthalten. Der Pflanzenpass bestätigt nicht, dass die ausstellenden Unternehmen gänzlich frei von Schädlingen und Krankheiten sind. Er bestätigt lediglich, dass die auf den beiden Listen angeführten Krankheiten und Schädlinge in den Unternehmen nicht vorkommen. Zu anderen Krankheiten und Schädlingen gibt der Pflanzenpass überhaupt keine Auskunft.

Nun fragen wir uns auch, auf welchem Wege Bestände verseucht werden können. Krankheiten und Schädlinge fallen ja nicht einfach vom Himmel. Sie werden eingeschleppt. Und dafür besteht in großen Unternehmen eine immens größere Gefahr als bei Erhalter*innen, die in kleinem Umfang an ihren immer gleichen Sorten arbeiten. Große Betriebe pflegen regen internationalen Austausch, vermehren weltweit in Ländern mit günstigen wirtschaftlichen und klimatischen Voraussetzungen und agieren mit weitaus größeren Mengen in großflächigen Monokulturen.

Der Anbau von landwirtschaftlichen Kulturen in einer großen Vielfalt auf kleinen Flächen ist an sich schon eine wirkungsvolle Maßnahme gegen die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen. Kleinflächiger Anbau unterbindet eine Massenvermehrung. Außerdem bietet er durch die intensive Verzahnung mit der umgebenden Natur und der Vielfalt an unterschiedlichen Kulturen den natürlichen Gegenspielern viel mehr natürliche Nischen.

Letztendlich ist die Behauptung, der Widerstand gegen die Pflanzenpasspflicht für Erhalter*innen leiste der Verbreitung von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen Vorschub, eine infame Unterstellung. Sie unterstellt nämlich, dass Erhalter*innen entweder gefährliche Krankheiten und Schädlinge nicht erkennen können und die Verbreitung unabsichtlich bewerkstelligen. Oder sie geht davon aus, dass Erhalter*innen dies skrupellos mit Absicht betreiben. Zu ersterem kann nur festgestellt werden, dass dagegen auch ein Pflanzenpass nicht wirkungsvoll helfen kann. Hier würde nur Information, Beratung und Hilfestellungen nützen. Auf derartige Angebote warten Mitglieder der Arche Noah bereits seit Jahren. Und gegen unehrliche Menschen hilft der Pflanzenpass ebenso wenig. Ob sich nun Unehrlichkeit, Skrupellosigkeit und Gier auf die Reihen der Erhalter*innen beschränkt, lassen wir einmal dahingestellt.

Es liegt im Interesse jedes Vermehrers, egal ob professionell oder hobbymäßig, seine Bestände möglichst gesund und frei von Schädlingen zu halten. Nur so kann er zufriedenstellenden Ertrag und den nachhaltigen Fortbestand seiner Bestände sicherstellen. So darf man getrost erwarten, dass auch Erhalter*innen mit allen Kräften daran arbeiten, ihre Gärten möglichst gesund und schädlingsfrei zu halten.

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